Die prunkvolle Bibliothek des Stiftes Altenburg ist mit drei prächtigen Kuppeln versehen. Der sakral gestaltete Raum ist 48 Meter lang, 9,6 Meter breit und 12,5 Meter hoch. Die drei Kuppeln erreichen gar eine Höhe von 17,5 Meter und wurden 1742 von Paul Troger mit Fresken versehen.
Der Maler hat in jeder Kuppel ein optisches Instrument in seine Malerei integriert: Einglas, Brille und Fernrohr erfreuen den augenoptisch interessierten Betrachter.
Erste Kuppel: Das biblische Gleichnis des Zinsgroschens
Mit Abbildung eines Einglases
Theologie und Jurisprudenz sind das Thema der ersten Kuppel beim Betreten der Bibliothek. Pharisäer und Anhänger von König Herodes wollen Jesus mit der Frage ob es recht wäre dem Kaiser Steuern zu zahlen eine Falle stellen. Jesus fällt auf diese List allerdings nicht herein und lässt sich von den Provokateuren eine Silbermünze zeigen.
Auf seine Frage wessen Bild sich auf der Silbermünze befände, erhält er zur Antwort, dass der Kaiser abgebildet wäre. Jesus beantwortet die Frage der Pharisäer: „So gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott was Gottes ist.“
Zentrales Element dieser ersten Kuppel ist Jesus mit einem Pharisäer, der auf Jesu Geheiß hin eine Silbermünze zur allfälligen Betrachtung in seiner offenen Hand hält. Jesus zeigt symbolisch mit der einen Hand auf das Abbild des Kaisers auf der Münze und mit der anderen Hand zum Himmel.
Ein Pharisäer steht hinter Jesus und folgt seinen Ausführungen. Obwohl er die Münze schon oft gesehen hat, möchte er sich vom Abbild des Kaisers auf der Münze überzeugen. Sein nachlassendes Sehvermögen hindert ihn allerdings daran die Münze scharf zu erkennen. Deshalb hilft er sich mit einem Blick durch ein Einglas. Müde und enttäuscht wegen der fehlgeschlagenen List blickt er durch die Sehhilfe auf die hingehaltene Münze.
Die erste Sehhilfe – der Lesestein – war noch stark gewölbt und wurde auf die Schrift gelegt. Mit der Zeit schliff man die stark gewölbte Fläche immer flacher. Diese modifizierten Linsen wurden nicht mehr auf die Schrift gelegt sondern in der Hand gehalten und dem Auge genähert. Bald erkannte man, dass es handlicher wäre, wenn man die Linse mit einer Fassung versah. Das gestielte Einglas war also eine Weiterentwicklung des Lesesteins und dürfte im 13. Jahrhundert seinen Ursprung haben.
Das dargestellte Einglas hat einen Linsendurchmesser von fünf bis sechs Zentimeter und fand zur Zeit Trogers durchaus noch Verwendung. Manche Eingläser wiesen reichhaltige Verzierungen auf und waren noch bis zum Ende des 19. Jahrhunderts recht beliebt.
Zweite Kuppel: Der Besuch der Königin von Saba bei König Salomo
Mit Abbildung einer Nietbrille
Die größte Kuppel in der Mitte des Saales zeigt die Szene vom Besuch der Königin von Saba bei König Salomo. Ein prächtiger Hofstaat reist mit der Königin zu Salomo um seine sprichwörtliche Weisheit mit Rätselfragen zu prüfen.
Die Königin erreichte den Hof Salomos mit großem Gefolge, Kamelen die Spezerei trugen und mit viel Gold und Edelsteinen. „Und Salomo gab ihr Antwort auf alles und es war dem König nichts verborgen, was er ihr nicht hätte sagen können“, berichtet das alte Testament.
Neugierig und angespannt beobachtet das Gefolge das Frage- und Antwortspiel der beiden königlichen Hoheiten. Troger verlieh dem Gefolge prächtige Kleider.
Alles deutet auf enormen Reichtum der anwesenden Personen hin. In der Mitte der illusionistisch gestalteten Kuppel schwebt die Personifikation der göttlichen Weisheit von sechs Puttis (nackte Knabenfiguren mit Flügeln) begleitet in den Himmelsraum hinauf.
In der palastartigen Struktur am Rande der Kuppel stehen die historisch korrekt gekleideten Personen im Gegensatz zu der im venezianisch gekleideten Königin von Saba.
Links vom Thron des König Salomo steht im Gefolge ein Mann, welcher in einen grünen Umhang gekleidet ist. Er blickt gebannt zu König Salomo und der Königin von Saba.
Um dem Geschehen folgen zu können bedient sich der bewusste Mann einer Brille.
Es handelt sich dabei offensichtlich um keine Lesehilfe. Er ist wahrscheinlich fehlsichtig, da er mitten durch die Brille zum Thron blickt. Es ist eher unwahrscheinlich, dass es sich um eine Lesebrille handelt und der Mann beim Aufblicken vergaß die Brille abzunehmen. Nirgendwo in seiner Nähe findet sich ein Buch oder ein Pergament.
Soweit man es erkennen kann ist die Vorderfläche der Gläser stark konvex und deutet auf eine Linse mit positiver Brechkraft hin.
Hinsichtlich der Fassung ist eine genaue Qualifikation betreffend der Bauart leider schon ein wenig schwieriger. Mit etwas Vorstellungskraft ist allerdings eine Nietverbindung am Verbindungsstück der beiden Gläser erkennbar.
Es dürfte sich mit einiger Sicherheit um die Abbildung der ältesten Bauart einer Brille – eine Nietbrille – handeln.
3. Kuppel: Medizin und Philosophie
Mit Abbildung eines Fernrohres
Die letzte Kuppel in der Bibliothek beschäftigt sich mit den irdischen Fakultätswissenschaften Medizin und Philosophie. Am Boden stehen drei Personen und beobachten die Sonnenfinsternis, die der Legende nach zur Todesstunde des gekreuzigten Christus stattgefunden haben soll. Ein weiterer Gelehrter sitzt am Boden und betrachtet das Naturschauspiel durch ein Fernrohr.
Dies sieht auf den ersten Blick nicht weiter verwunderlich aus. Bereits im 3. Jahrtausend vor Christus beobachteten die Chinesen Kometen und Ereignisse wie eine Sonnenfinsternis. Seit dem Altertum wird über die Gefährlichkeit der Sonnenbeobachtung berichtet. Galenus beschrieb, dass von denen, die unverwandt in die Sonne schauen, „einige ganz blind“ werden. Plato zitiert in „Phaedos“ Sokrates, der empfahl, die Sonnenfinsternis nur durch ihr Spiegelbild im Wasser zu betrachten. Galileo Galilei zog sich eine Netzhautschädigung zu, als er die Sonne mit dem Fernrohr beobachtete.
Der abgebildete Gelehrte ist ebenfalls am besten Weg dazu – er betrachtet ungeschützt die Sonne durch das vergrößernde Fernrohr. Er ist eben doch nur ein fehlbarer, irdischer Gelehrter und verfügt nicht über die göttliche Weisheit.
Paul Troger – kleine Biographie
Paul Troger wurde am 30.10.1698 in Welsberg/Zell im Südtiroler Pustertal geboren und starb in Wien am 20.09.1762. Seine Studienzeit vor 1722 verbrachte der österreichische Maler in Italien. Der Aufenthalt wurde ihm vom Bischof von Gurk ermöglicht. Troger studierte bei Sebastiano Ricci in venedig und Francesco Solimena in Neapel. Sein erstes bedeutendes Werk in Österreich war 1728 die Gestaltung des Kuppelfreskos in der Kajetanerkirche in Salzburg.
Seine anschließende Tätigkeit in Wien war nur von kurzer Zeit, da die Malerei in Wien zu dieser Zeit von Künstlern wie Rottmayr und Gran dominiert wurde. Eine bessere Auftragslage fand sich aber in den Niederösterreichischen Klöstern, wo er gemeinsam mit dem Tiroler Architekten Joseph Munggenast viele Fresken schuf. Die Stifte Melk, Zwettl, Altenburg, Seitenstetten, Geras und Göttweig beherbergen mannigfaltige Fresken Trogers.
Strahlende Farben, Licht und dunkle Passagen wurden von Troger gezielt für allegorische Zwecke eingesetzt. Oft sind es auch die zentralen Figuren, von denen das Licht ausgeht. Paul troger gehört zu den bedeutenden Freskenmalern des Österreichischen Spätbarocks. In den drei Kuppeln der Bibliothek im Stift Altenburg hat er der Augenoptik ein Denkmal gesetzt.