Die gotische Kirche von St. Jakob ist die imposanteste in der mittelalterlichen, deutschen Stadt Rothenburg ob der Tauber und beherbergt gleich zwei Abbildungen mit jeweils einer Nietbrille.
Der Bau der evangelisch-lutherischen Stadtkirche wurde bereits im Jahr 1311 begonnen. Ihre Größe legt Zeugnis, für die im Mittelalter geübte Gottesverehrung, ab.
Der prächtige Zwölfboten-Hochaltar wurde 1466 aufgrund einer Stiftung des Bürgermeisters Heinrich Toppler (gestorben 1408) geschaffen. Die Altargemälde stammen vom Nördlinger Maler Friedrich Herlin.
Petrus mit Nietbrille
Auf der Predella vom Zwölfbotenaltar ist Christus mit den zwölf Aposteln zu sehen. Die Seitenflügel berichten von Maria. Die prächtige Rückseite ist der Jakobuslegende gewidmet. Zahlreiche Gemälde prägen Vorder- und Rückseite dieses Kunstwerkes.
Weiters beeindrucken die im Hintergrund des Bildes sichtbaren Glasgemälde. Sie sind 17 Meter hoch und leuchten bei Morgensonne in wunderbarer Farbenpracht. Sie entstanden von 1350 bis 1400 und zeigen Szenen aus dem Christus- und Marienleben.
Die Erfindung der Brille muß auf Herlin oder dessen Auftraggeber einen starken Eindruck ausgeübt haben. Die damalige Darstellung des Petrus mit einer Brille ist mit einer heutigen Abbildung von Mozart mit einem mp3-Player vergleichbar!
Die St.Jakobs Kirche kann sich glücklich schätzen, gleich zwei wertvolle Abbildungen einer Nietbrille zu besitzen. Herlin verewigte auch die Beschneidung Christi durch einen Hohepriester mit einer Nietbrille! Die Brille erscheint hier als „ärztliches Hilfsinstrument“. Ohne seiner Brille würde der Hohepriester die „Operation“ wohl kaum vornehmen können. Der Mann, links vom Hohepriester, hält eine Hand vor die Kerze um die Lichtverhältnisse zu optimieren und der Beschneidung folgen zu können. Das Kind wendet den Kopf vom konzentrierten Hohepriester ab – die Gottesmutter blickt besorgt auf das Beschneidungsmesser.
Die Beschneidung Christi – mit Hilfe einer Nietbrille
Die Nietbrille des Hohepriesters besteht gut sichtbar aus zwei Eingläser, welche an den Stielen zusammengenietet wurden. Der Sitz war, wie in der folgenden Abbildung sichtbar, nicht sehr angenehm. Sehr schön sind die Riefen bei den Glasschließblöcken erkennbar. Die Fassung hielt das fertig geschliffene Glas mittels einem Faden oder Draht zusammen.
Auch sehr schön und eindeutig ist die Niete am oberen Rand der beiden Stiele erkennbar. Dieses Bildnis gehört wohl zu den beeindruckensten in der Brillengeschichte.
Weitere berühmte Werke von Friedrich Herlin: Anbetung der Könige im Stadtmuseum Nördlingen, Hochaltar der Kirche St.Georg in Nördlingen, Hochaltar der Pfarrkirche St. Blasius in Bopfingen.
Der Stifter des Hochaltares, Heinrich Toppler, war für einen Mann des 15. Jahrhunderts extrem reich. Dies verschaffte ihm einen starken Einfluß.
Toppler war mit Wenzel, König von Böhmen, befreundet. König Wenzel wurde später von den Kürfürsten abgesetzt. Sein Kontakt zum bereits abgesetzten Kaiser Wenzel brachte Toppler schließlich in Haft. 1408 starb er unter ungeklärten Umständen im Rathhaus-Verlies.